Die Hekaten 1810

Eine Leichenöffnung ist für mich bis heute etwas Sakrales. Es ist wie ein Blick aus dem Leben auf die Verletzlichkeit der Menschen, das Öffnen einer Pforte zum Tod. Ich erinnere mich noch genau, als ich zum ersten Mal ein Skalpell an einen toten Körper setzte. Er war ein junger Mann, schwarze Haare, schlichtes Gesicht, sein Bauch war schon gebläht. Mein damaliger Mentor erklärte mir, wo ich den Schnitt setzen musste. Meine Mutter war Vesalius Magd. Ich war schon immer eine gute Zeichnerin und als er meine Skizzen sah, begann ich für Ihn zu zeichnen. Am Anfang beschrieb er mir die Knochen, Sehnen und Muskeln des menschlichen Körpers. Doch seine Worte genügten nicht, damit ich exakt die Anatomie zu Papier bringen konnte. So beschloss er, mich zu einer seiner Leichenschauen mitzunehmen. Meine Gestalt waren zu jener Zeit sehr knabenhaft, und so schor er mir die Haare kurz und kleidete mich in Hosen, um als junger Mann verkleidet der Sektion beizuwohnen. Was für ein Possenspiel, es widerte mich an und tut es immer noch, wenn ich mich daran erinnere. Es ist eine Schande, das bis heute keine Frau der Wissenschaft nachgehen darf oder dass es eine Professora für Medizin gibt. Oh Hekata, hättest du mich nicht erweckt, ich wäre daran zu Grunde gegangen.

Meine Schwestern geben mir bis heute die Kraft und es ist ein Segen, dass ich ihnen mein Wissen weitergeben darf. Ich hielt nie viel von den alten Riten, jedoch kann ich nicht leugnen, dass ich langsamer gealtert bin Dank der Rituale. Nun bin ich eine Greisin und sinniere über mein Leben, während ich auf diesen Toten Körper starre, umringt von jungen Frauen, um ihnen mein Handwerk zu lehren und mein Wissen weiter zu geben.

„Sophie! Wenn du Dich schon übergeben musst, dort ist der Eimer! Also meine Schwestern, der erste Schnitt geht durch die Bauchdecke. Dieser Kerl ist recht Fett, deshalb muss ich mich hindurch schneiden, und das ist nicht sehr Angenehm. Das Fett könnt ihr später aus ihm heraus schaben. Es ist gut für Seifen, um sich von Flüchen rein zu waschen. Dieser Einbrecher hat es nicht besser verdient, dreimal verfluchte Prometheaner.“

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